Die adaptive Solarfassade des Startups Zurich Soft Robotics kombiniert Photovoltaik und dynamischen Sonnenschutz

Das Fassadensystem Solskin wurde in zwei Forschungsbauten und an einem Haus in den Alpen integriert. In Winterthur nutzen Architekturbüros die Technologie des ETH-Spin-offs in ihren Entwürfen für zwei Neubauprojekte.

Rendering des Projekts Campo und des Projekts KELLER in Winterthur, beide mit der Solkin-Fassade. (Visualisierungen: maars architektur visualisierungen, Strut Architekten)

Im Technopark Zürich sitzen Menschen hinter Computern, daneben stehen Werkbänke mit Ingenieurswerkzeugen: Im Büro des ETH-Spin-offs Zurich Soft Robotics gehen Software und Hardware Hand in Hand. Das Startup ist das Ergebnis langjähriger Forschung an einer adaptiven Solarfassade an der Professur für Architektur und Gebäudesysteme von Professor Arno Schlüter. Gegründet wurde es im Jahr 2022 von Bratislav Svetozarevic, Gabriel Kreuzer, Alexander Züst, Lukas Lichtensteiger und Anil Sethi. „Mit dem Solskin-Fassadensystem, dem ersten Produkt des Unternehmens, wollen wir die Integration der Photovoltaik in die Architektur verändern“, erklärt CEO Bratislav Svetozarevic.

Das Team des ETH Zürich Spin-offs Zurich Soft Robotics

Dünne und kleine Photovoltaik-Paneele sind auf Aktoren montiert, die auf einem Metallträgernetz sitzen. Die Aktuatoren können einzeln durch Druckluft bewegt werden und funktionieren wie Luftmuskeln. „Die Motoren sind leicht, leise und können Wind und anderen Kräften standhalten“, sagt Svetozarevic. Die Aktuatoren sind wartungsarm und haben eine Lebenserwartung von 25 Jahren, ähnlich wie die Photovoltaikmodule. Die Motoren können sich in zwei Achsen frei bewegen. Dadurch können die Paneele tagsüber der Sonne folgen und den Ertrag um bis zu 40 % im Vergleich zur gleichen Fläche eines statischen Paneels steigern. 

Die Solarenergie ist nur ein Aspekt des Designs, das mehrere Vorteile vereint. Die Paneele fungieren auch als dynamisches Beschattungssystem, das die Glasfassade abdeckt und die solaren Wärmegewinne reduziert. „Shadovoltaik“ nennt Vesna Kosorić, Leiterin der Abteilung Architektur, diesen Ansatz. Solskin ist so entworfen, dass die Paneele 55 % der Fläche bedecken - um die gegenseitige Verschattung der Paneele zu reduzieren und Transparenz zu ermöglichen.

Da die Paneele in eine horizontale Position gebracht werden können, können sie vor den Fenstern installiert werden, ohne die Sicht zu versperren. Die Software stellt die adaptive Solarfassade mithilfe von künstlicher Intelligenz und selbstlernenden Algorithmen automatisch so ein, dass der Solarertrag, die Wärmereduzierung und das Tageslicht maximiert werden. Das adaptive System ist teurer als Standard-Photovoltaikmodule. „Neben anderen Vorteilen kann es je nach Projektdetails, Ausrichtung, Solskin-Oberfläche usw. den Bedarf an Kühlung und Heizung des dahinter liegenden Raums um bis zu 80 % senken und so helfen, Betriebskosten zu sparen“, so Kosorić.

Zurich Soft Robotics arbeitet mit lokalen Installationspartnern und Fassadenberatern zusammen. Das Unternehmen beschäftigt zehn Mitarbeitende, dazu kommen externe Berater. „Wir sind gerade dabei, die nächste Finanzierungsrunde mit einem Ziel von drei Millionen Schweizer Franken abzuschliessen“, sagt Svetozarevic. Das Startup wurde von einem Swiss Business Angel und der Klimastiftung Schweiz unterstützt und hat ein Stipendium der Innosuisse sowie mehrere Preise erhalten. Im Jahr 2023 wurde Zurich Soft Robotics mit dem externe Seite Watt d'Or des Bundesamts für Energie ausgezeichnet. Im Jahr 2024 wurde sie mit einem externe Seite Red Dot Design Award ausgezeichnet. Die Technologie ist in der EU patentiert, der Name Solskin international geschützt. 

Die Technologie wurde zunächst in zwei Forschungsgebäuden eingesetzt. Der erste voll funktionsfähige Prototyp wurde 2021 im HiLo-Modul im Nestgebäude der Empa in Dübendorf installiert. Ab Juni 2024 überwachte und testete das Solskin-Team das System im Zero Carbon Building Systems Lab der ETH Zürich, was als abschliessende Prüfung und Vorbereitung für das erste Grossprojekt diente. Das Solskin-Team wird zusammen mit Forschenden der ETH Zürich Nutzertests und Umfragen durchführen, um zu sehen, wie die Menschen auf die Technologie reagieren. Im November 2024 hat das Startup die erste Anwendung für einen privaten Kunden fertiggestellt und ein Haus in den Alpen mit dem Solskin-System an der Fassade nachgerüstet.

Für den Neubau der Firma KELLER Druckmesstechnik AG in Winterthur arbeitet Soft Robotics am ersten grossen Projekt, das sich derzeit im Bau befindet. Zusammen mit dem Architekturbüro Strut stattet das Unternehmen die 88 Meter lange Fassade eines neuen Büro- und Produktionsgebäudes mit Solskin-Elementen aus, die auf einer Fläche von 1'300 Quadratmetern 3'488 Paneele umfasst. Sie sind auf vorgefertigten Elementen montiert, die dreieinhalb mal acht Meter gross sind. Ein Mockup einer Solskin-Einheit wurde vor Ort getestet. 2025 sollen die Solskin-Units produziert und installiert werden. 

Für das Campo-Areal in Oberwinterthur wurde das Solskin-System in einem weiteren Projekt eingesetzt, mit dem Studio Burkhardt, Lucas Michael Architektur und EDER Landschaftsarchitekten einen Wettbewerb gewonnen haben. Das Ziel von Solskin ist es, Architekinnen und Architekten mehr Freiheit beim Entwurf zu geben. Das System kann in andere Elemente wie etwa Geländern integriert und an unterschiedliche Fassadenformen und -grössen angepasst werden: z.B. für Glasfassaden von gewerblichen und institutionellen Gebäuden, über Oberlichtern und Atrien als Sonnenschutzsystem oder in Pergolen auf Dächern oder in Gärten.

Das System kann mit verschiedenen auf dem Markt erhältlichen Solarmodulen kombiniert werden. Architektinnen und Architekten können die Farben der Paneele und ihrer Rückseite wählen. Da jeder Aktuator einzeln gesteuert werden kann, sind sogar Medienfassaden möglich, die durch die Bewegung der Paneele Texte oder Ornamente anzeigen, erklärt Vesna Kosorić. „Wir hoffen, dass wir bald schöne Solskin-Integrationen an verschiedenen Gebäuden in der Schweiz und im Ausland sehen werden.“

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