Studierende entwerfen alternative Pläne für den Campus Hönggerberg der ETH Zürich

Die Professur für Affektive Architekturen von An Fonteyne hat mehrere Semester lang mit ETH Immobilien zusammengearbeitet. Das Entwurfsstudio überdenkt die Nutzung der Bestandsbauten auf den Campussen neu.

Projekt der Studierenden Leonard Neutzler, Lucy Ritschl, Michèle Zeder

Mit fast 200 Gebäuden allein in Zürich und einem Wert von fünf Milliarden Schweizer Franken hat das Immobilienportfolio der ETH Zürich eine grosse Bedeutung für die Stadt. Normalerweise arbeitet die Immobilienabteilung bei der Bewertung, Planung und Realisierung von Gebäuden mit externen Fachleuten zusammen. Vor drei Semestern hat sie jedoch eine Zusammenarbeit begonnen, die das Wissen und die Ideen der Studierenden des Departements Architektur nutzt. Professorin An Fonteyne und ihr Team haben gemeinsam mit ETH Immobilien Entwurfsstudios geleitet, die die Immobilienstrategie der Institution unter die Lupe genommen, eine Bestandsaufnahme der Gebäude, des öffentlichen Raums und der Landschaft gemacht und alternative Ansätze für die Zukunft vorgeschlagen haben.

Im Herbst 2023 wurde das Kompetenzzentrum für ETH Spatial Politics ETH-SP gegründet, um zu überdenken, wie das Departement Architektur zur räumlichen Entwicklung der ETH Zürich beitragen kann. Das ETH-SP untersuchte Bauten, Masterpläne, Finanzen, Vermietungs- und Leerstandsquoten, Energieverbrauch, Wettbewerbsstrategien und Entscheidungsprozesse. Im ersten Semester der Zusammenarbeit erstellten die Studierenden einen Katalog aller ETH-Gebäude, analysierten das Portfolio und verfassten fünf Berichte aus verschiedenen Forschungsperspektiven, wobei sie ihre Schlussfolgerungen anhand von 15 Fallstudien testeten.

Vergrösserte Ansicht:
Plan des Campus Hönggerberg mit den Interventionen der Studierenden

Im Frühlingssemester 2024 konzentrierten sich die Studierenden auf das ETH Zentrum und schlugen 15 Architekturprojekte vor. Im Herbstsemester 2024 warfen sie einen neuen Blick auf den Campus Hönggerberg, den Standort, den die ETH Zürich für ihre künftige Expansion priorisiert. Bis 2040 will die Hochschule das Gesamtvolumen ihrer Gebäude um 50 Prozent erhöhen. „Wir fragen uns, ob es immer notwendig ist, die Masse der Gebäude zu erhöhen, um mehr Platz zu schaffen“, sagt Professor An Fonteyne. „Anstatt mehr zu bauen, werden wir innehalten, um über den Campus in seiner jetzigen Form nachzudenken und uns mit den Nutzerinnen und Nutzern auseinanderzusetzen.“ Die Aufgabe des Studios war es, den Immobilien-Masterplan der ETH Zürich zu hinterfragen und kritisch zu reflektieren. Das Motto des Semesters: „The next big thing will be a lot of small things“.

Das Semester war für alle eine Gelegenheit, die gebaute Umwelt, in der sie arbeiten, besser kennen zu lernen. „Die Neugierde hat uns an viele Orte gebracht, die wir auf dem Campus noch nie gesehen haben“, sagt An Fonteyne. Grundlage für die Erweiterung des Campus Hönggerberg ist ein Masterplan von EM2N Architekten aus dem Jahr 2016. „Der Masterplan betrachtet den Campus von oben, wir haben versucht, von unten und von innen zu schauen“, sagt An Fonteyne. Die Studierenden untersuchten die gebauten Strukturen und den Komfort, den sie bieten, und befragten die Menschen, wie sie den Raum nutzen. Sie setzten sich mit der Geschichte und den früheren Visionen hinter den Architekturen auseinander. Und sie untersuchten, was verbessert werden könnte - mit kleinen oder grösseren Eingriffen.

Feedback an den Schlusskritiken

An der Schlusskritik präsentierten die Studierenden zehn Interventionen auf dem Campus Hönggerberg. Drei Vertreter von ETH-Immobilien gaben Feedback, sozusagen als Realitätscheck. Interessanterweise unterschieden sich viele der Vorschläge gar nicht so sehr von den offiziellen Plänen der Hochschule. Viele der Projekte versuchten, den Raum besser zu nutzen. Bei einem Projekt wurden beispielsweise Teile der Garage in eine offene Büroetage umgewandelt (als Alternative für das geplante neue HIC-Gebäude). „Wir haben kürzlich an einer Sitzung einen ähnlichen Vorschlag diskutiert“, sagt Hannes Pichler, der Leiter der ETH-Immobilienabteilung. „Die ETH Zürich will ihre Flächen effizienter nutzen.“ Grossraumbüros bieten aktivitätsorientierte Arbeitsplätze und helfen, die Zusammenarbeit zu verbessern. Gleichzeitig könnten sie viele Quadratmeter frei machen, was den Bedarf an neuen Gebäuden reduzieren würde. ETH Immobilien testet derzeit flexible Arbeitsplatzmodule, um die Infrastruktur besser zu nutzen.

Andere Studierende schlugen vor, mehr Gemeinschaftsräume zu schaffen, um den Wissensaustausch zwischen den Menschen zu erleichtern. ETH-Immobilien hat ähnliche Pläne für bestimmte Gebäude. Einige Projekte konzentrierten sich auf die Beziehung zwischen Architektur und Landschaft, zum Beispiel durch die Ausrichtung der Räume im HPF-Gebäude auf den zentralen grünen Innenhof. Andere versuchten, den Bezug zur Öffentlichkeit zu verbessern. Eine Gruppe von Studierenden öffnete die Fassade des HCI-Gebäudes, um dessen Rolle als zentraler öffentlicher Ort auf dem Campus zu stärken. Ein kleiner Eingriff, der eine grosse Wirkung haben könnte. „Viele dieser Projekte sind wie Living Labs, was sehr interessant ist“, sagt Pichler. „Aber sie sind nicht einfach auf das gesamte Portfolio zu übertragen.“

Einige Studierende lehnen in ihren Manifesten den Gedanken der ständigen Erweiterung rundweg ab. Sie schreiben von Umnutzung, Sanierung und Verbesserung des Bestehenden. ETH Immobilien hingegen hat den Auftrag, mehr zu bauen, um Platz zu schaffen für das prognostizierte Wachstum der Studierenden an der Hochschule. Ein kleines Gebäude macht die unterschiedlichen Perspektiven am deutlichsten. Die ETH Zürich plant, das HXE-Gebäude, das derzeit von den Studierenden selbst genutzt wird, durch einen 80 Meter hohen Turm zu ersetzen. Der Vorschlag der Studierenden hingegen bewahrt und erweitert das Gebäude, das auf die Schweizerische Landesausstellung von 1939 zurückgeht. Wachstum versus Erhalt, Veränderung versus Identität.

„Wir sind beeindruckt von der Arbeit, die ihr in die Analyse und die Vorschläge gesteckt habt“, sagt Hannes Pichler am Ende des Abschlusstages zu den Studierenden. „Wir sind in unserer Planung oft zu ähnlichen Ergebnissen gekommen.“ Einige der Ideen der Studierenden sind Pichler allerdings zu idealistisch. „Wir bei ETH Immobilien müssen realistisch sein, denn wir müssen die nötigen Ressourcen zum richtigen Zeitpunkt bereitstellen.“ Im nächsten Semester wird das Studio alle Projekte, die im Rahmen der Zusammenarbeit entstanden sind, veröffentlichen. ETH-Immobilien will sie als interne Referenzen für ihre Planungen auf dem Campus nutzen. Die nächsten Jahre werden zeigen, wie sehr die Ideen der Studierenden die gebaute Realität beeinflussen werden.

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert