Aisling O’Carroll zur Assistenzprofessorin für Landschaftsarchitektur und geohistorische Praxis ernannt

Dank einer tiefgehenden Ortsanalyse erforscht die kanadische Wissenschaftlerin die Geschichte der Landschaftsarchitektur, um deren Zukunft zu verstehen – etwa im Schweizer Haslital. Dabei verbindet sie Werkzeuge aus den Natur- und den Geisteswissenschaften.

Aisling O'Carroll (Foto: Claudia Greco)

Aisling O’Carrolls Arbeit erstreckt sich über mehrere Disziplinen und grosse Zeiträume. Die kanadische Forscherin studierte und praktizierte zunächst Architektur, bevor sie ihren Fokus auf Landschaftsarchitektur verlagerte, die sie an der Graduate School of Design der Harvard University studierte. Sie arbeitete mehrere Jahre in den Vereinigten Staaten bei Michael Van Valkenburgh Associates und war an gross angelegten städtischen Landschafts- und ökologischen Wiederherstellungsprojekten beteiligt, darunter das Port Lands Flood Protection Project in Toronto in Kanada. Dabei setzte sie sich mit den Herausforderungen der Gestaltung komplexer urbaner Landschaften auseinander – von den unterschiedlichen Interessen der Beteiligten bis hin zu sich verändernden Standortbedingungen wie industrieller Kontamination, verloren gegangenen ökologischen Funktionen und zunehmendem Hochwasserrisiko.

2016 gründete sie gemeinsam mit anderen „The Site Magazine“, das eine breite Palette an Themen rund um die gebaute Umwelt behandelt – von Landschaftsarchitektur über Kunst und Politik bis hin zu Urbanismus. Das Magazin soll den Dialog zwischen Praxis, Wissenschaft und Öffentlichkeit fördern. Im Jahr 2024 wurde es mit dem Journalism and Media Award des Royal Architectural Institute of Canada ausgezeichnet. Die berufliche Praxis und die publizistische Arbeit haben O’Carrolls Herangehensweise an Landschaft geprägt. „Die Praxis der Landschaftsarchitektur ist eine des Schutzes und der Fürsorge", sagt sie. "Um den heutigen Herausforderungen des Fachs zu begegnen, müssen verschiedene Zeitlichkeiten und vielfältige Akteure – einschliesslich der Öffentlichkeit – Teil des Prozesses sein.“

«Die Praxis der Landschaftsarchitektur ist eine des Schutzes und der Fürsorge.»
Aisling O’Carroll
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Archivrecherche: Digitale Aufzeichnung eines Fragments des Hôtel des Neuchâtelois im Alpinen Museum der Schweiz. (Foto: Aisling O’Carroll)

Bildung ist ebenfalls ein wichtiger Teil des Prozesses. O’Carroll hat Seminare und Entwurfsstudios an der Harvard Graduate School of Design, der University of Toronto und der Bartlett School of Architecture am University College London unterrichtet. In ihrer Lehre fordert sie die Studierenden dazu auf, die Geschichte eines Ortes und die heute verwendeten Werkzeuge und Technologien kritisch zu hinterfragen. Studierende nutzten beispielsweise digitale und physische Modelle, um historische Ereignisse alpiner Orte anhand von Archivfotografien, Karten und Zeichnungen zu rekonstruieren. Von 2020 bis 2024 war sie Programmkoordinatorin für Landschaftsarchitektur an der Bartlett School und zwischen 2022 und 2023 zudem Co-Direktorin des Programms. Im Juli 2025 hat die ETH Zürich sie zur Tenure-Track-Assistenzprofessorin für Landschaftsarchitektur und geohistorische Praxis ernannt.

Studie des Unteraargletschers in den Schweizer Alpen

Ihr Ansatz verbindet Gestaltung mit vielfältigen Methoden, um dringende soziale, ökologische und umweltbezogene Herausforderungen anzugehen. In ihrer Doktorarbeit an der Bartlett School of Architecture untersuchte sie Rekonstruktion als gestaltungsorientierte Methode, um sich mit Geschichte und Theorie auseinanderzusetzen. Unter anderem erforschte sie den Unteraargletscher in den Schweizer Alpen, wobei sie dessen geologische Geschichte und die wissenschaftliche Erforschung analysierte, die unser heutiges Verständnis dieses Ortes geprägt hat. Sie untersuchte zum Beispiel, wie der Gletscher im Laufe der Zeit untersucht wurde – von frühen Versuchen, die Bewegung einzelner Felsblöcke zu verfolgen, bis hin zu heutigen Vergleichen mit detaillierten digitalen Geländemodellen, die durch photogrammetrische Luftbildvermessungen erstellt werden.

«Unsere Beziehung zur Landschaft ist historisch geprägt.»
Aisling O’Carroll

„Unsere Beziehung zur Landschaft ist historisch geprägt.“ Durch Archivforschung in Kombination mit Scantechnologien und anderen analytischen Methoden aus der Feldforschung führt sie eine tiefgehende Analyse des Ortes und seiner Veränderungen durch. „Es ist wichtig zu verstehen, wie ein im Laufe der Geschichte neu interpretiert wurde und wie diese Geschichten unseren heutigen Umgang mit ihm beeinflussen.“ Dieser Effort ist notwendig, um Wege zu finden, wie wir auf heutige Umweltbelastungen reagieren können. „Die Landschaft im Haslital ist heute stark vom Klimawandel und seinen weitreichenden Folgen betroffen“, erklärt O’Carroll. „Indem wir die Vergangenheit rekonstruieren, versuchen wir, neue mögliche Zukünfte für diesen Ort zu erschliessen.“ Zum Beispiel, wie sich alpine Orte künftig an den Klimawandel anpassen können.

Ihr Rekonstruktionsansatz liefert wertvolle Erkenntnisse für die Wiederherstellung von Landschaften und wurde in mehreren Ausstellungen und Publikationen vorgestellt. „Ich sehe die Landschaft selbst als ein Archiv der Vergangenheit.“ Geologie und Zeitlichkeit stehen im Zentrum ihrer Arbeit. Im Jahr 2024 war sie „Planetary Times“-Stipendiatin beim Panel on Planetary Thinking an der Justus-Liebig-Universität Giessen, wo sie die Geschichte zweier längst verschwundener Berghütten aus dem 19. Jahrhundert in den Schweizer Alpen nachverfolgte.

«Ich sehe die Landschaft selbst als ein Archiv der Vergangenheit.»
Aisling O'Carroll

Ihre Forschung greift auf Konzepte und Praktiken aus verschiedenen Disziplinen zurück – darunter Natur-, Geisteswissenschaften und Landschaftsarchitektur. „Die Geowissenschaften entwickeln sich heute weiter, weil menschliche Aktivitäten Teil des geologischen Archivs geworden sind“, erklärt O’Carroll. Dieses enthält nicht nur die Klimageschichte, sondern auch Geschichten von Macht, Politik, Arbeit und sogar Unterdrückung. „Angesichts der Diskussionen rund um das Anthropozän und drängender sozialer und ökologischer Herausforderungen ist es wichtig, die Verbindung zwischen Geschichte und Boden zu erkennen." Damit erweitert Aisling O'Carroll den Fokus der Disziplin und fordere heraus, was Landschaftsarchitektur heute sein kann.

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