Extending the Cycle
Barbara Buser, Gastdozentin am D-ARCH, gewinnt mit dem baubüro in situ den Global Holcim Award Gold & den Holcim Award Gold Europe
Holcim Foundation: externe Seite Media release / externe Seite Project Summary
Communiqué des Baubüro in situ zur Ehrung mit dem European und Global Gold Award
Der Holcim Award for Sustainable Construction wird als der weltweit bedeutendste Wettbewerb für nachhaltiges Bauen angesehen. Die Holcim Foundation wurde 2003 gegründet, um das Bewusstsein für die wichtige Rolle zu schärfen, die Architektur, Ingenieurwesen, Stadtplanung und Bauwesen für die Gestaltung einer nachhaltigeren Zukunft spielen. Die Stiftung ist eine Initiative der Holcim Gruppe, einem der grössten Baustoffproduzenten der Welt.
Mit Extending the Cycle in Switzerland hat sich das Baubüro in situ mit einem Projekt beworben, welches exemplarisch für die Arbeitsweise des Büros steht: Die Erweiterung der Halle K.118 in Winterthur. Das Büro realisiert Bauten, welche den geringstmöglichen Impact auf Klima und Umwelt und den grösstmöglichen Mehrwert für die Gesellschaft und die Men- schen haben. Mit der Weiter- und Wiederverwendung von Bestehendem, Gebäuden vor Ort wie auch Rückbaumaterialien aus dem lokalen Umfeld, werden nicht nur handwerkliche und baukulturelle Werte gepflegt, sondern in höchstem Mass Treibhausgasemmissionen reduziert. Keine andere Bauweise ist im Stande, sofort und so signifikant Emissionen zu verringern. Mit dem K.118 gelang es dem Baubüro in situ, den Fussabdruck in der Erstellung um 60% gegenüber einem vergleichbaren konventionellen Neubau zu verringern.
Als schweizweit grösster Emittent von Treibhausgasen in der Zementwirtschaft verantwortet Holcim jährlich allein in der Schweiz 1.4 Mio Tonnen. 2‘800 mal so viel, wie beim Projekt K.118 eingespart werden konnte. Weltweit entstehen 8% der globalen Treibhausgase bei der Zementproduktion. Holcim reduzierte seit 1990 seine Emissionen um 30%, doch die enorme Menge an Beton, welche aufgrund des weltweiten Urbanisierungsdrucks verbaut wird, dürfte es unmöglich machen, dass die Zementindustrie je Netto Null erreichen wird.
Die Emissionen müssen aber heute reduziert werden, und zwar sofort und massiv. Dazu müssen alle Beteiligten, Auftraggeber:innen, Planende wie auch Produzierende entsprechend Verantwortung übernehmen, indem mit dem bisherigen immer schneller, immer mehr, immer neuer gebrochen wird. Und das heisst für die Zukunft: massiv weniger Bauen, mit mas- siv weniger Beton!
Das ausgezeichnete Projekt zeigt auf, dass im Bauwesen aktuell nur ein radikaler Paradigmenwechsel den Klimawandel verlangsamen kann: Nur ein respektvoller und bewahrender Umgang mit der bestehenden Bausubstanz, Wiederverwendung von hochwertigen Baustoffen und -teilen, sowie die gezielte Minimierung von grossen CO2 eq-Verursachern wie Be- ton, sind ein sofort verfügbarer und effektiver Hebel zur Vermeidung von Treibhausgasen.
Mit den jetzigen klassischen Baustoffen und -methoden können die Netto-Null Ziele nicht erreicht werden. Alleine mit derzeit geplanten Bauvorhaben, werden die Emissionskontingente einer ganzen Generation innert weniger Jahre aufgebraucht sein.
Um die vereinbarten Klimaziele zu erreichen, muss das gesamte Bauwesen radikal umstrukturiert werden. Die möglichen Lösungen sind zahlreich, naheliegend und im ausgezeichneten Projekt exemplarisch ausgeführt worden.
Die weltweit handelnde Baustoffindustrie trägt eine enorme Verantwortung. Planende und Bestellende haben wenig Ahnung, wo und unter welchen Bedingungen die Roh- und Baustoffe gefördert und hergestellt werden und welche Umweltsünden im Rahmen der Förderung und Aufbereitung begangen werden.
Indem wir bestehende Gebäude erhalten, sanieren und weiterentwickeln, sowie lokal vorhandene Baumaterialien wieder- verwenden, denken wir die Bauwirtschaft neu. Die Wiederverwendung hat diesbezüglich eine transparente Lieferkette, weil sie lokal stattfindet. Wir wissen zwar ebenso wenig über die Herkunft der Materialien, aber sie sind nun mal schon da. Viele Tonnen Treibhausgase sind als graue Energie im Gebäudepark gebunden. Die Wiederverwendung sichert deren Werterhalt und bedeutet zwangsläufig handwerkliche Massanfertigung, was die Industrialisierung dieser Bauweise nicht oder nur teilweise möglich macht.
Das Preisgeld werden wir in die Entwicklung der Prozesse der Wiederverwendung investieren: Neue Berufsfelder sollen geschaffen werden, die die lokale, statt die globale Wirtschaft stärken. Wir nehmen die logistischen Herausforderungen der Wiederverwendung in Angriff und setzten uns zudem für den Erhalt des handwerklichen Wissens und dessen Weiter- entwicklung ein, um eine klimagerechte Baukultur hervor zu bringen.
Bauherrschaften und Behörden müssen überzeugt werden, ihre Neubauprojekte zu überdenken und aus politischer sowie rechtlicher Sicht, können einige Hebel betätigt werden, um die Wiederverwendung zur Norm zu machen.
Wir sind glücklich, dass die internationale Fachjury unsere Sicht auf die Dinge und die Dringlichkeit des Umdenkens teilt und auch betont, dass die Wiederverwendung sehr inspirierende und die Kreativität stimulierende Gestaltung hervorbringt.
Wir danken der Auftraggeber- und Bauherrschaft, der nachhaltigen Pensionskasse Stiftung Abendrot für das Vertrauen, die Entschlossenheit und den gemeinsamen Entwicklungsprozess, der zu diesem wegweisenden Ergebnis geführt hat. Der Preis spornt uns ans, den Erhalt und die Weiterentwicklung der vorhandenen Bausubstanz noch entschiedener voran zu treiben und mit Ideenreichtum und Gestaltungslust gegen die Verschwendung von Rohstoffen und Emissionskontingenten anzukämpfen.
Basel, den 18.11.2021 / baubüro in situ
Projektwebseite: externe Seite https://www.insitu.ch/projekte/196-k-118