«Antisemitismus wird nicht toleriert»

Zeitungsartikel unterstellen dem Departement Architektur, Antisemitismus zu schüren. Vorsteher Matthias Kohler nimmt im Namen der Departementsleitung Stellung zu den Vorwürfen.

Matthias Kohler spricht an einer Departemenzkonferenz des D-ARCH.
Matthias Kohler spricht an einer Departemenzkonferenz des D-ARCH.

Ein Architekturprofessor aus Stuttgart erhebt in einem Schweizer Medium schwere Vorwürfe gegen das Departement Architektur. Was sagen Sie dazu?
Natürlich verstehe ich, dass die Berichterstattung viel Irritationen und Verunsicherungen ausgelöst hat, was wir von der Departementsleitung sehr bedauern. Der Zeitungsartikel behauptet aber, das Departement sei ein Hotspot für Antisemitismus. Von einer solchen Zuschreibung distanzieren wir uns als Departement klar. Der Konflikt in Israel/Palästina beschäftigt unsere Community stark und führt zu Situationen, bei denen Kritik an Israel geäussert wird. Kritik ist aber nicht gleichzusetzen mit Antisemitismus. Es ist uns zudem wichtig zu betonen: Es gab keine Beschwerden bei der zuständigen Meldestelle. Antisemitismus, wie jede Form von Diskriminierung, wird nicht toleriert, wie die ETH in ihrer Stellungnahme zum aktuellen Konflikt explizit festhält. Das Gleiche gilt für das Departement Architektur.

Gehört die Debatte rund um Israel und Palästina überhaupt an ein Architekturdepartement?
Ja. Die ETH beschäftig sich als Universität mit internationaler Ausrichtung auch mit globalen Fragen der Raumplanung oder des Städtebaus. Architektur ist zudem immer auch politisch wirksam. Deshalb gehört der Diskurs über solche komplexen Themen zu unserem Auftrag dazu. Gerade in der Frage Israel/Palästina geht es um räumliche und soziale Themen auf der Ebene der Stadt, die eng mit den politischen Realitäten verknüpft sind. Dieser Diskurs ist selbstverständlich nicht einfach und wir müssen ihn sensibel führen.

Weiter wird behauptet, am Departement würde Forschung betrieben mit anti-israelischem Einschlag. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?
Das gta Institut hat dazu eine interne Erklärung verfasst, die die Zusammenhänge einordnet. Darin hält das Institut fest, dass die Behauptungen nicht stimmen und die Zitate aus dem Zusammenhang gerissen wurden. Die Dissertation der gta-Gastprofessorin Samia Henni, die im Fokus steht, ist wissenschaftlich fundiert und wurde sogar mit einer ETH-Medaille ausgezeichnet. Ihre Forschung beschäftigt sich übrigens mit der französischen Kolonialzeit in Algerien und hat mit dem Israel-Palästina Konflikt nicht direkt zu tun. Wir akzeptieren nicht, dass Samia Hennis Doktorat auf diese Weise diffamiert wird.

Es entsteht der Eindruck, die Stimmung am Departement sei einseitig pro-palästinensisch und zu wenig ausgewogen. Wie sehen Sie das? Wird der Diskurs zu dem Thema einseitig geführt am Departement?
Wie überall in der Gesellschaft gibt es auch an unserem Departement differierende Meinungen zu Palästina/Israel. Schwierig finden wir, dass die Diskussion von wenigen, aber lauten Stimmen geprägt wurde. Manchmal liessen diese Empathie gegenüber den israelischen Opfern vermissen, was wir kritisch beurteilen. Dies führte dazu, dass die Diskussion als zu wenig ausgewogen wahrgenommen wurde. Uns ist ein breiter Diskurs am Departement wichtig. Dafür wollen wir die Professuren sowie den Mittelbau und Studierendengruppen stärker in die Pflicht nehmen. Gleichzeitig sind die Forschungsfreiheit der Professuren und Bottom-up-Bewegungen der Studierenden zentral.

Personen, die am Departement arbeiten oder eingeladen wurden, veröffentlichten auf den sozialen Medien Statements oder unterzeichneten Briefe, die provozieren. Gibt es für Sie eine Grenze der Forschungs- und Meinungsfreiheit?
Die ETH ist für Äusserungen im privaten Rahmen nicht verantwortlich. Verstossen diese aber gegen das Gesetz oder werden dem Departement als diskriminierend gemeldet, spricht die Leitung die Personen an und unternimmt die nötigen Schritte. In der Tat stellt sich aber die Frage nach der Grenze bei der von Studierenden geplanten Veranstaltung mit dem Autor und Architekt Léopold Lambert. Hier führen wir intern intensive Diskussionen, ob überhaupt und wenn in welcher Form wir diese Veranstaltung durchführen und verantworten können. Die Debatte soll möglichst ausgewogen und breit geführt werden, auch über aufgeladene politische Themen. Gewalt oder Rassismus zu rechtfertigen oder zu schüren, sind hingegen keine legitimen Positionen an der ETH.

Die Stimmung ist aufgeheizt. Wie geht das Departement mit der Situation um? Wo sehen Sie den grössten Handlungsbedarf?
Die Situation ist für alle indirekt oder direkt Betroffenen sehr schwierig. Wir haben grosses Mitgefühl für alle, die von dem Konflikt betroffen sind, egal ob sie sich mit Menschen in Israel oder Palästina verbunden fühlen. Das Departement unterstützt und hilft, wo immer möglich. Zudem baut das Departement aktuell eine Stelle für Care & Complaint auf, an die sich Personen direkt wenden können, die sich unwohl fühlen. Wir Professorinen und Professoren werden die Diskussionskultur zusammen mit dem Mittelbau und den Studierenden weiterhin aktiv pflegen und unsere Verantwortung im akademischen Diskurs wahrnehmen.
 

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