Im virtuellen Raum entwerfen

Die Studierenden planen und präsentieren am Lehrstuhl von Gramazio Kohler ein ganzes Entwurfssemester im 3D-Modell. Die Zwischenkritik des immersiven Studios findet mit VR-Brille im digitalen Raum statt.

Zwischenkritik in der VR Arena
Zwischenkritik in der VR Arena (Fotos: Gramazio Kohler Research, ETH Zürich)

An der Zwischenkritik der Professur Gramazio Kohler hängen keine Pläne an der Wand und es stehen keine physischen Modelle auf dem Tisch. Die Präsentation findet digital statt, in der VR-Arena: Die Studierenden stehen in einem leeren Raum und halten eine VR-Brille vors Gesicht. So können sie gemeinsam das virtuelle Modell ihres Entwurfs betrachten und dabei den Massstab beliebig wählen: Man kann die architektonische Wirkung 1:1 erleben und ein konstruktives Detail räumlich begutachten. Oder ein skaliertes Modell des Gebäudes beurteilen, das im virtuellen Raum auf einem Tisch steht, um etwa die Struktur oder den Städtebau zu verstehen. «Ein Vorteil ist, dass wir mit VR rasch zwischen verschiedenen Ansichten und Massstäben wechseln können», sagt Professor Fabio Gramazio.

Der Ansatz des immersiven Studios von Gramazio Kohler ist fundamental digital. «Wir wollten das Extreme ausprobieren und die These radikalisieren», sagt Gramazio. Selbstverständlich lassen sich digitale und analoge Methoden kombinieren. Die Abstraktion von Plänen – direkt und interaktiv erzeugt aus dem 3D-Modell – ist nach wie vor nützlich, wie die Zwischenkritik zeigt. Das Entwurfssemester für ein Bauteillager in Zürich aber fand – abgesehen von Skizzen – ganz im 3D-Modell statt. «Die Studierenden haben uns berichtet, sie hätten dieses Semester dreimal mehr Skizzen produziert als üblich», sagt Gramazio.

Manche Studierende hängen im digitalen Modell Pläne oder Fotos an die Wand, die man im virtuellen Raum betrachtet. Andere arbeiten ganz ohne Hilfs-Werkzeuge aus der analogen Welt. Neben der digitalen Präsentation lernen die Studierenden auch, ihr Projekt mit Skripten zu programmieren. So können sie das 3D-Modell schneller aufbauen und variieren.

Während der Zwischenkritik wechseln die Studierenden ab zwischen Bildschirm und VR-Arena. Die immersive Darstellung erlaubt, die Architektur umfassender beurteilen zu können. Und sie löst die Präsentation los vom Ort. In einem Semester haben Gamazio Kohler von Zürich aus eine Remote-Kritik mit Studierenden in Japan durchgeführt. Dank VR standen alle im selben Raum.

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Im Unterschied zum Immersive Design Lab, das Gramazio Kohler 2021 an der ETH eröffnet haben, benötigt das immersive Entwurfsstudio nicht viel Infrastruktur. Ein paar handelsübliche VR-Brillen genügen. Die Software für die virtuellen Rundgänge heisst RADii und ist gratis verfügbar. Entwickelt hat sie der dänische Architekt Thomas William Lee an der Arkitektskolen Aarhus. Gramazio Kohler haben vier Semester lang damit gearbeitet in ihrem Entwurfsstudio. Nach dem Beta-Testen stellen sie nun externe Seite die Dokumentation für das Werkzeug den anderen Entwurfsprofessuren zur Verfügung. Die ETH unterstützt das Lehrprojekt mit einem Innovedum Grant.  

Ende Semester geben die Studierenden ein 3D-Modell und ein Video ab, das durch den virtuellen Raum führt. Aus den Wolken taucht die Kamera ab, zeigt das Gebäude aus der Vogelperspektive und bewegt sich dann durch die Architektur. Der Abstraktionsgrad der Darstellung lässt ich je nach Bedarf einstellen. Auch Animationen oder Querschnitte durch das Modell können die Studierenden damit darstellen. Selbst das Wetter lässt sich simulieren und verändern. Einmal taucht während der Zwischenkritik die Frage nach dem Ertrag der PV-Module auf dem Dach eines Entwurfs auf. Die Antwort liefert das Modell: Mit ein paar Mausklicks lässt sich die Sonneneinstrahlung je nach Datum und Tageszeit simulieren.  

Immersives Studio - Lagerhalle Zürich, 2024
Gramazio Kohler Research, ETH Zurich

Lehrteam: Fabio Gramazio, Matthias Kohler, Jonas Haldemann, Sarah Schneider, Stefanie Girsberger, Cristiano Aires Teixeira, Thomas William Lee, Gonzalo Casas, Chen Kasirer, Gereon Siévi

Studierende: Tom Bauer, Lara Becks, Lancelot Burwell , Deniz Esen, Anna Hess, Leon Kallert, Žan Kocunik , Michael Maurer, Luca Peter, Riccardo Pizzolotto, Tizian Rein, Joss Russek, Ellen Stenzel, Moritz Wick

Gäste: Federico Bertagna, Giulio Bettini, Céline Baumann, Gilles Retsin, Marc Schwarz, Annette Spiro

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