«Uns ist die Selbstermächtigung wichtig»: Der Verein ZAS* leitet ab Herbst ein Gaststudio an der ETH

Wie die Zürcher Arbeitsgruppe für Städtebau aus den 1950er-Jahren will die ZAS* den städtebaulichen Diskurs mit Alternativen beleben – etwa beim Stadtspital Triemli oder mit dem «Ämtli für Städtebau» in Zürich.

Aktuell wirken rund 20 bis 30 Personen in dem Verein ZAS* mit.
Aktuell wirken rund 20 bis 30 Personen in dem Verein ZAS* mit. (Foto: Elio Donauer)

Im Atelier Gisel in Zürich sitzt eine Gruppe junger Leute rund um einen grossen Tisch. Wie jeden Monat haben die Mitglieder der ZAS* einen Tag lang diskutiert, um sich auszutauschen und auf das Herbstsemester vorzubereiten. Die meisten haben an der ETH vor ein paar Jahren ihr Architekturstudium abgeschlossen. Nun kehren sie zurück als Gaststudio am Institut für Entwurf und Architektur IEA.

Die Abkürzung ZAS steht für Zürcher Arbeitsgruppe für Städtebau. Der Name und die Idee der Gruppe gehen zurück ins Jahr 1959, als die ursprüngliche Arbeitsgruppe gegründet wurde. Die erste ZAS war bis Ende der 1980er-Jahre aktiv. Zwei Generationen später knüpfte eine Gruppe von ETH-Studierenden vor ein paar Jahren daran an. «Wir sind über Umwege auf die ZAS gestossen und haben uns in ihrer Arbeit wiedergefunden», erklärt ein Mitglied. «Die ZAS* will der Ersatzneubauwelle etwas entgegenstellen», so jemand anderes. «Da lag es auf der Hand, auch den Namen wiederzuverwenden.»

Wie damals geht es darum, nicht nur Opposition gegenüber den offiziellen Vorschlägen für städtebauliche Fragen zu markieren, «sondern diese Opposition stets durch transformative Gegenvorschläge zur Stadtgestaltung zu begründen», wie es auf der Website heisst. Das Kollektiv betreibt konstruktive Kritik. Und wie einst wird die Zusammensetzung der Gruppe lose gehandhabt. Aktuell wirken rund 20 bis 30 Personen nebenberuflich in dem Verein mit. Wer genau, ist auf der Website nicht ersichtlich. «Die Autorenschaft ist uns nicht wichtig», erklärt ein Architekt. «Wir wollen uns nicht als Einzelpersonen profilieren, es geht um den Inhalt.» 2023 hielt die Arbeitsgruppe einen kollektiven Vortrag am Departement Architektur unter dem Titel «In mutual complicity», um sich als Gaststudio vorzustellen.

Ideenwettbewerb für Stadtspital Triemli
Seit Beginn externe Seite schreibt die ZAS* regelmässig Kolumnen im Stadtmagazin tsüri.ch, um den öffentlichen Diskurs anzuregen und Druck aufzubauen auf die Politik. Von sich Reden gemacht hat die Gruppe 2022, als sie einen spekulativen Ideenwettbewerb organisiert hat für die drei ehemaligen Personalhäuser des Stadtspitals Triemli in Zürich. Statt die Häuser abzureissen, wie ursprünglich geplant, suchte der Wettbewerb Vorschläge für die Um- und Weiternutzung der Anlage mit 750 Zimmern. Die eingereichten Vorschläge waren im ZAZ Bellerive ausgestellt, ein Beitrag zum Prozess war in der Akademie der Künste Berlin zu sehen. Der Einsatz für den Erhalt hat sich gelohnt: Die Stadt Zürich will die Liegenschaft bis 2040 nicht abreissen. Aktuell hat sie darin eine Asylunterkunft eingerichtet.

Auch der Ruf zurück an die ETH sieht die ZAS* als eine Chance, um Dinge zu hinterfragen und auszuprobieren. Den Arbeitsmodus als Gruppe soll mit den Studierenden weitergeführt werden. Gefragt sind keine Einzelarbeiten, sondern der gemeinsame Diskurs. «Wir wollen als Kollektiv ein Verständnis von Stadt entwickeln», sagt eine Architektin. Das Thema wird Zürich sein, man will lokal arbeiten. «Uns ist die Selbstermächtigung wichtig», erklärt ein Mitglied. «Wir wollen die Studierenden ermuntern, sich aktiv einzumischen und eine andere Rolle einzunehmen.» Als Architektin also nicht einfach das Raumprogramm zu erfüllen, sondern zum Beispiel die Aufgabe selbst in Frage zu stellen. So wie die ZAS* dies beim Wettbewerb für den Ersatzneubau der Wohnsiedlung Salzweg in Zürich getan hatte, als sie statt einem Projekt rund 40 Fragen zur Aufgabenstellung eingereicht hat.

Die Vorbereitung des ETH-Gaststudio bindet viele Ressourcen. Zudem hat sich die ZAS* beworben, um den Kultur-Pavillon auf dem Werdmühleplatz in Zürich zu bespielen und den Zuschlag erhalten. Sie wird darin während zweier Jahre ein «Ämtli für Städtebau» einrichten, um gemeinsam ständig öffentlich zu diskutieren. Denn «Information ist Mitbestimmung», wie es die alte ZAS 1970 formuliert hat. Daneben liegen viele Themen auf dem Tisch, die die ZAS* anpacken möchte. Die Gruppe führt eine ganze Liste mit Orten, zum Beispiel eine Werkhalle in Zürich Oerlikon Nord, die abgerissen wird. «Wir überlegen uns aber gut, wo und wann wir aktiv werden», so ein Architekt. Das gezielte Engagement in der Stadtdebatte kann viel bewirken, wie das Beispiel des Stadtspitals Triemli gezeigt hat.

Unvollständige Liste der ZAS*-Mitglieder
Lucio Crignola, Milena Buchwalder, Tobia Rapelli, Alice Tripet, Blanka Dominika Major, Ella Eßlinger, Gaëtan Iannone, Jakob Junghanss, Jens Knöpfel, Julian Wäckerlin, Lukas Ryffel, Lian Liana Stähelin, Meghan Rolvien, Oliver Xaver Burch, Sonja Flury, Sebastian Oswald, Tamino Kuny, Jakob Walter, Christoph Zille

Gaststudios
Das Departement Architektur lädt jedes Jahr sechs Gaststudios ein, die ein bis vier Semester lang Entwurf unterrichten. Sie werden von den Instituten unter Einbindung der Stände gewählt. Im Herbstsemester 2024 begrüsst das Departement neben der Landschaftsarchitektin Céline Baumann und den Architekten Oliver Lütjens und Thomas Padmanabhan neu den Verein ZAS*, die Architektin Lillit Bollinger, den Architekten Gilles Retsin sowie Anja Beer und David Merz vom Architekturbüro Beer Merz als Entwurfsgäste.

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