„Nachhaltiges Bauen muss vollautomatisiert werden“: Gilles Retsin leitet Gaststudio am D-ARCH

Der belgische Architekt und Tech-Unternehmer möchte nachhaltiges Wohnen für alle zugänglich machen. Sein Startup AUAR will den Entwurf und die Herstellung von Häusern mit robotergestützten Mikrofabriken verändern.

Gilles Retsin (Photo: Hermione Hodgson)
Gilles Retsin (Foto: Hermione Hodgson)

Der gebürtige Belgier Gilles Retsin studierte Architektur in Belgien, Chile und Grossbritannien, wo er seinen Abschluss an der Architectural Association machte. Seinen Doktortitel erlangte er am RMIT in Australien. 2013 gründete er sein Architekturbüro in London und 2022 war er zusammen mit Mollie Claypool Mitbegründer von Automated Architecture (AUAR), einem Technologie-Startup. Seine Arbeiten wurden im Museum of Art and Design in New York, der Royal Academy of Arts in London und dem Centre Pompidou in Paris ausgestellt. Er ist Mitherausgeber des Buches „Robotic Building: Architecture in the Age of Automation“. Retsin ist ausserordentlicher Professor an der UCL, der Bartlett School of Architecture.

Retsin hinterfragt die Bausteine ​​der Architektur selbst. Er entwickelte eine Methode zur Montage präzise definierter, sich wiederholender Teile. Seine Arbeit verbindet Ideen aus der industriellen Konstruktion mit digitalen Entwurfsmitteln. Für die Tallinn Architecture Biennale 2017 baute er einen Pavillon, dessen Bausteine ​​wie LEGO zu verschiedenen Strukturen zusammengesetzt werden konnten. 2019 entwarf der Architekt für die Royal Academy in London die Installation „Real Virtuality“, die Holzbauweise mit Augmented Reality und Automatisierung kombiniert. „Mich interessiert eher die Frage nach einer Architektur, die sich vielfach wiederholen lässt, als einzigartige Einzelstücke“, erklärt Retsin. Architektinnen und Architekten müssten in grossen Mengen denken, um auf die Klimakrise und die Wohnungskrise zu reagieren, ist er überzeugt. „Dafür braucht es eine neue Architekturidee, die Skalierung und Geschwindigkeit unterstützt und gleichzeitig kulturell relevant bleibt.“

Vergrösserte Ansicht: Konzept für eine robotische Mikro-Fabrik von AUAR
Konzept für eine robotische Mikro-Fabrik von AUAR

Sein Startup AUAR hat ein Holzrahmen-Panelsystem, eine tragbare robotergestützte Mikro-Fabrik und eine Software-Plattform für Design und Fertigung entwickelt. Das Unternehmen arbeitet mit Entwicklern, Architektinnen und Bauherren zusammen, die die Technologie des Startups nutzen, um nachhaltige und erschwingliche Häuser in grossem Massstab herzustellen. „Die grösste Frage ist, wie man nachhaltiges Bauen so skalieren kann, dass es tatsächlich Einfluss auf die gebaute Umwelt hat“, erklärt der Architekt. Dazu seien sowohl Automatisierung als auch neue Geschäftsmodelle und Formen der Zusammenarbeit mit der Industrie erforderlich. „Wir können nachhaltiges Bauen nicht als eine Form des Kleinhandwerks betrachten, es muss vollständig automatisiert werden, damit es günstiger wird als der derzeitige Bau.“

Auch Retsins Studio am Institut für Technologie in der Architektur (ITA) wird sich mit Architektur in grosser Stückzahl beschäftigen. Die Studentierenden entwickeln räumliche Ideen, Holzbauweisen und Systeme, um Entwürfe für Tausende von Häusern gleichzeitig zu erstellen. „Wir werden hauptsächlich vorgefertigte Holzrahmenkonstruktionen verwenden und mit der Dozentur für Bautechnologie und Konstruktion BUK zusammenarbeiten, um die technische Tiefe für Massenproduktion, Nachhaltigkeit und zirkuläres Design zu erreichen“, sagt der Architekt. Das Studio ist angesichts der globalen Wohnungs- und Klimakrise relevant, aber auch in Bezug auf neue Arbeitsweisen und Geschäftsmodelle von Architektinnen und Architekten. „Wie arbeiten wir?“, fragt Retsin. „Was bedeutet unsere Kreativität im Kontext der Automatisierung kreativer Arbeit? Worin sind wir gut, was würden wir lieber nicht tun?“

Gaststudios
Das Departement Architektur lädt jedes Jahr sechs Gaststudios ein, die ein bis vier Semester lang Entwurf unterrichten. Sie werden von den Instituten unter Einbindung der Stände gewählt. Im Herbstsemester 2024 begrüsst das Departement neben der Landschaftsarchitektin Céline Baumann und den Architekten Oliver Lütjens und Thomas Padmanabhan neu den Verein ZAS*, die Architektin Lillit Bollinger, den Architekten Gilles Retsin sowie Anja Beer und David Merz vom Architekturbüro Beer Merz als Entwurfsgäste.

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