"Was uns an High-Tech gereizt hat, war rein visuell - wir fanden es sehr verlockend“
Für das Buch "High-Tech Heritage" befragten Professorin Silke Langenberg und Doktorand Matthias Brenner Patty Hopkins, eine der prominentesten Architektinnen der High-Tech-Ära.
Dieses Interview ist ein Auszug aus dem Buch "High-Tech Heritage", das 2024 im Birkhäuser Verlag zusammen mit dem Buch "Denkmal Postmoderne" erschienen ist.
Silke Langenberg: Es ist mir eine Freude, dich kennenzulernen. Als eine der prominentesten Architektinnen der High-Tech-Ära interessieren wir uns nicht nur für deine Sichtweise auf den Entwurf und die Konstruktion deiner Gebäude in den 1970er und 1980er Jahren, sondern auch für die Vorstellung von diesen Strukturen als architektonisches Erbe und die anschliessenden Herausforderungen ihrer Erhaltung.
Matthias Brenner: Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, mit uns zu sprechen.
Patty Hopkins: Ich bin sehr daran interessiert, dass Gebäude erhalten bleiben. Ich habe manchmal mit Anträgen für die Inventarisierung von Gebäuden zu tun und andererseits auch mit Leuten, die sie verändern wollen.
Aber lasst mich zunächst ein wenig über unsere damaligen Bauten erzählen. Als Büro strebten wir bei unseren Entwürfen stets nach struktureller und technologischer Entwicklung, aber immer mit einem grossen Augenmerk auf ästhetischer Freude. Ich beginne mit Downshire Hill, unserem Wohnhaus und ersten Büro, das wir 1976 fertiggestellt haben. Wir hatten damals drei kleine Kinder, Michael arbeitete als Partner bei Norman Foster, und es war an der Zeit, weiterzuziehen. Zu dieser Zeit gab es in London und anderswo in Europa einen Abschwung auf dem Immobilienmarkt, der es uns ermöglichte, das Grundstück für wenig Geld zu erwerben. Nachdem wir die Parzelle gekauft hatten, musste der Bau sehr kostengünstig sein, und wir entschieden uns für eine einfache, sich wiederholende Struktur, die aus verfügbaren Bauteilen zusammengesetzt wurde. Wir bauten die umschliessende Struktur, richteten sie ein und begannen sofort mit der Arbeit. Die finanzielle Notwendigkeit stand im Mittelpunkt unserer Überlegungen.
Langenberg: Was du da beschreibst, erinnert mich an die Baurationalisierung in den 1960er Jahren, als die Ideen der 1920er Jahre weiterentwickelt wurden. Ein Ziel und eine Notwendigkeit in der Nachkriegszeit war es, schnell und billig zu bauen. Das, was du in Downshire Hill gemacht hast, scheint jedoch viel anspruchsvoller zu sein, was den innovativen Einsatz von Materialien angeht.
Hopkins: Es war vor allem die Leichtigkeit, die uns fasziniert hat. Das hatte zum Teil mit der Strasse zu tun, an der das Gebäude liegt, einer eleganten Strasse in London Hampstead mit vielen prächtigen Gebäuden aus dem achtzehnten Jahrhundert. Wir dachten ein wenig an unseren Kontext, aber nicht primär, denn das tat man damals nicht.
Langenberg: Du hast lange Zeit in diesem Gebäude gelebt und gearbeitet. Da du jetzt von der Leichtigkeit sprichst, frage ich mich, welche Herausforderungen ihr mit der Konstruktion im Laufe der Zeit zu bewältigen hattet: Dinge wie Wärmedämmung zum Beispiel oder die langfristige Leistungsfähigkeit der konstruktiven Verbindungen?
Hopkins: Es gab Herausforderungen. Vor sieben Jahren habe ich das Haus neu isoliert und eine Doppelverglasung eingebaut. Heute ist es viel komfortabler als vorher. Auf diese Weise war es möglich, die Isolierung erheblich zu verbessern. Schon früh haben wir Jalousien angebracht, die verhindern, dass zu viel Sonne hereinkommt und nachts die Wärme entweicht. Uns wurde klar, dass wir ein bisschen mit dem Haus spielen mussten.
«Die finanzielle Notwendigkeit stand im Mittelpunkt unserer Überlegungen.»Patty Hopkins
Langenberg: Aus Sicht der Bauwerkserhaltung ist es eine ziemliche Herausforderung, sich mit solchen Fragen der ständigen Veränderung zu beschäftigen. Anders als Bauherrenarchitekten können wir nicht so einfach etwas verändern. Bei denkmalgeschützten Gebäuden versuchen wir in der Regel, grosse Veränderungen ganz zu vermeiden.
In diesem Zusammenhang wäre ich neugierig auf Ihre Sichtweise des folgenden Szenarios: Wenn ein Objekt von Ihnen unter Denkmalschutz gestellt wird und gleichzeitig altersbedingte Probleme mit der Konstruktion auftreten - würdest du die Konstruktion ändern oder lieber beibehalten?
Hopkins: Nehmen wir das Beispiel der Dämmung der Fassade von Downshire Hill - das war mit den damals geltenden Konstruktionsprinzipien recht einfach zu bewerkstelligen. Generell würde ich bei Nachrüstungen immer versuchen, die wesentliche Qualität eines Gebäudes zu erhalten und nach den Grundsätzen zu arbeiten, die zur Zeit seiner Errichtung entwickelt wurden. Andernfalls kann man genauso gut wieder von vorne anfangen, wenn man es ohnehin verunstalten wird.
Brenner: Du hast die Entscheidung erwähnt, die ursprüngliche Einfachverglasung des Hauses in Hampstead durch Doppelverglasung zu ersetzen. Ich habe mich gefragt, wie du diesen Wandel hin zu einer nachhaltigeren Bauweise in den 1970er und 1980er Jahren erlebt hast, da dies im heutigen Architekturdiskurs ein so zentrales und manchmal sogar leicht überstrapaziertes Schlagwort zu sein scheint.
Hopkins: Es ist offensichtlich notwendig und wir haben alle ein bisschen spät gelernt. Man hat allerdings die Sorge, dass alles ein bisschen langweilig wird. Ich bin überzeugt, dass man heute noch kreativer sein muss, um interessante Gebäude zu bauen. Man muss jetzt über Nachhaltigkeit und Lebenszyklen nachdenken, was eine weitere Herausforderung darstellt. Aber die Architektur hat schon immer ihre Herausforderungen gehabt.
Langenberg: Wir haben Ihr Patera Building System als ein Beispiel für ein Leichtbausystem besprochen, bei dem sogar Bezüge zu Prinzipien des Fahrzeug- oder Flugzeugbaus zu erkennen sind. Ausserdem fällt auf, dass es bereits für die Demontage konzipiert wurde - eine heute in der Architekturforschung sehr gefragte Eigenschaft. Wir haben festgestellt, dass sich einige der Objekte heute leider in einem schlechten Zustand befinden.
Hopkins: Das ist richtig. Die ursprüngliche Bauherrschaft war bereit, die Erforschung des Systems zu finanzieren. Ich denke immer noch, dass es ein schönes System ist.
Die konstruktiven Komponenten, die nicht gut funktionierten, waren die Dichtungen. Es besteht auch kein Zweifel daran, dass die Aussenstruktur und die gestrichenen Stahlplatten eine gute Wartung benötigen. Ob diese Patera-Gebäude mehr Wartung brauchen als beispielsweise ein weiss verputztes Haus, das alle drei Jahre gestrichen werden muss - ich bin mir nicht sicher - aber wir haben sie instand gehalten. Wenn ich darüber nachdenke, finde ich, dass das Patera-System als Bausystem genau aus diesem Grund nicht erfolgreich war, nämlich wegen der Kosten für die Instandhaltung. Ich würde jedoch gerne Beispiele von Patera-Gebäuden, die als Büros ausgeführt wurden, in gutem Zustand erhalten, um ihr Potenzial zu zeigen. Hopkins Architects hat zwei davon als Büroräume genutzt, aber das kostet Geld.
Langenberg: Das Ziel der Denkmalpflege ist es, ein Bauwerk zu reparieren, ohne es zu sehr aufzuwerten, um das System nicht zu verändern. Wäre es deiner Meinung nach in Ordnung, wenn die Bauwerke bei der Modernisierung aufgewertet würden?
Hopkins: Ja, und das wäre sicherlich möglich. Noch einmal zum Patera-System: Das Stahlskelett des ursprünglichen Gebäudes mit den bewährten Aussenbindern ist leicht zu warten und bei Bedarf zu reparieren. Da sie sich ausserhalb der Gebäudehülle befinden, sind sie alle gut zugänglich. Die Fassadenpaneele benötigen heutzutage eine bessere Isolierung, die hinzugefügt werden kann, ohne das grundlegende Konzept der Konstruktion zu verändern. Die Verglasung kann ausgetauscht werden, auch wenn das ein ziemlich teurer Eingriff wäre. Aber generell bin ich der Meinung, dass es sich lohnt, Gebäude zu modernisieren, wenn sie wirklich gut und interessant sind.
«Generell bin ich der Meinung, dass es sich lohnt, Gebäude zu modernisieren, wenn sie wirklich gut und interessant sind.»Patty Hopkins
Langenberg: Es ist einer unserer Forschungsschwerpunkte, Reparaturkonzepte für komplexe Fassaden zu entwickeln, um zu frühe und zu radikale Austauschprozesse zu vermeiden. Matthias Brenner erforscht in seiner Dissertation zum Beispiel High-Tech-Gebäude mit massgeschneiderten Metallfassadenkonstruktionen. Er sucht nach Möglichkeiten, deren besonders komplexe Bauteile nachzufertigen, weil es die Firma, die sie früher hergestellt hat, nicht mehr gibt.
Hopkins: Interessant. Erzähle mehr darüber.
Brenner: Eine meiner Fallstudien ist ein strukturelles Element der Brise-Soleil-Konstruktion und eine andere Fallstudie konzentriert sich auf profilierte Aluminium-Fassadenplatten. Die Herausforderung besteht darin, dass die Stanz- und Tiefziehformen für die Aluminiumbleche bereits verschwunden sind. Wir untersuchen digitale Fertigungsmethoden und Robotik, um Elemente nachzudrucken und die Bleche ohne die Formen herzustellen. Das ist es, was uns überhaupt zum Thema High-Tech-Architektur geführt hat, bei dem es um die Verwendung innovativer Materialien, neue Wege der Verbindung von Industrieprodukten und komplexe, massgeschneiderte Elemente geht, um so die Architektur voranzutreiben. Die Tatsache, dass viele prominente High-Tech-Objekte auch von den Fertigungsprinzipien des Fahrzeug-, Schiffs- und Raumfahrtdesigns inspiriert sind, hat uns dazu bewogen, bei diesem Forschungsprojekt mit dem Maschinenbau zusammenzuarbeiten.
In diesem Zusammenhang möchte ich die Frage nach der Zusammenarbeit zwischen Architektur und Ingenieurwesen bei der Entwicklung dieser neuen Bauweisen stellen.
Hopkins: Ich erinnere mich, dass wir in der Anfangszeit sehr eng mit den Ingenieurinnen und Ingenieuren zusammengearbeitet haben und gute Beziehungen hatten. Ich denke, dass es auch für die Ingenieurinnen und Ingenieure wichtig ist, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der ein ästhetisches Empfinden in Kombination mit seinem bautechnischen Fachwissen hat. Für uns steht vor allem bei kleineren Projekten, die sich auf innovative Entwürfe konzentrieren, die Entwicklung der Konstruktionsdetails im Vordergrund. Die Zusammenarbeit mit den Ingenieurinnen und Ingenieuren war sehr spannend, weil es dabei auch um die Entwicklung der Praxis ging. Ich denke, dass diese neuartigen Konstruktionen in gewisser Weise deshalb erhaltenswert sind, weil viel Zeit in sie geflossen ist.
Langenberg: Man braucht auch Ingenieure und Ingenieurinnen, die bereit sind, ein Risiko einzugehen, und die bereit sind, dafür zu sorgen, dass es auf Dauer funktioniert. Glaubst du, dass es in den 1970er und 1980er Jahren einen anderen Erfindergeist im Ingenieurwesen gab?
Hopkins: Die Ingenieurinnen und Ingenieure tragen einen Grossteil der Risikobelastung. Ich denke, dass sie früher eher bereit waren, das zu tun. Ich glaube, die ganze Atmosphäre beim Bauen war weniger verbissen - wenn das das richtige Wort ist. Meiner Meinung nach hat die beste Bauherrschaft den Geist des "Machbaren" verinnerlicht und macht keinen Rückzieher.
Brenner: Die Technologie wurde in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts bei vielen Entwürfen sowohl als ermöglichender Faktor als auch als Referenzbild eingesetzt. Einige Büros, die in dieser Zeit sehr erfolgreich waren, haben die Technologie nicht nur eingesetzt, sondern auch zur Schau gestellt und in einigen Fällen fast auf ein Podest gestellt. Welche Rolle spielte die Technologie bei euren Entwürfen?
Hopkins: Was uns an der Technologie, oder besser gesagt an High-Tech, gereizt hat, war rein visuell - wir fanden es sehr verlockend. Ich glaube, am Anfang war es spannend, weil es nicht mehr nur um Ziegel und Stein und schwere Konstruktionen ging.
Interessanterweise war es nicht das, was wir damals als Studierende an der AA (Architectural Association School of Architecture) lernten, wir planten einfach Dinge und zeichneten Schnitte. Ich denke, wir sind einfach auf High-Tech gestossen, und das war sehr aufregend. Ich glaube, das ist es für mich immer noch. Ausserdem fasziniert mich der Mix aus High-Tech und anderen Materialien wie Ziegel und Stein. Das hat uns später auch interessiert. Nachdem wir Gebäude aus Stahl und Glas entwickelt hatten, beschäftigten wir uns mit traditionelleren Materialien. Aber dann waren wir daran interessiert, ihre strukturellen Möglichkeiten weiterzuentwickeln, als sie traditionell genutzt wurden, zum Beispiel im Geiste von Louis Khan.
Brenner: Auf unserer Konferenz in Zürich hatten wir ein interessantes Gespräch mit einem Kollegen von Arup, der darauf hinwies, dass sich einige ihrer Teams derzeit auf die Gebäude konzentrieren, an denen sie vor 40 und 50 Jahren mitgearbeitet haben. Es schien recht interessant zu sein, sich ihren Bauten wieder zu nähern und mit ihnen zu arbeiten. Ich habe mich gefragt, ob das auch in eurem Büro der Fall ist und ob das etwas ist, das den High-Tech-Geist aufrechterhält.
Hopkins: Unsere Gebäude entwickeln sich von einem zum anderen, sie greifen etwas auf, was wir beim letzten Gebäude gemacht haben, und bringen es weiter. Beim Lord's Cricket Ground zum Beispiel haben wir zum ersten Mal Ziegelsteinmauerwerk verwendet, das zufällig in einer Kurve liegt. Und in Glyndebourne haben wir die Kurve vor allem deshalb entwickelt, damit sie sich gut in die Umgebung einfügt. Man hat die Zeichnungen von etwas, das man schon einmal gemacht hat, die einem bei einem neuen Projekt helfen. All dieses Wissen sammelt sich im Laufe der Zeit in einem Büro an, und es ist da - es ist in der Arbeit enthalten.
«Unsere Gebäude entwickeln sich von einem zum anderen, sie greifen etwas auf, was wir beim letzten Gebäude gemacht haben, und bringen es weiter.»Patty Hopkins
Langenberg: Zum Schluss möchte ich noch eine Frage zu der BBC-Dokumentation "The Brits Who Built the Modern World" stellen, die in der Keynote meines Kollegen Tom Emerson angesprochen wurde. Dass du nicht zusammen mit Richard Rogers, Norman Foster, Nicholas Grimshaw, Michael Hopkins und Terry Ferrell auf dem Cover abgebildet bist, hat das Publikum unserer Konferenz sprachlos gemacht.
In diesem Zusammenhang würden wir gerne wissen, wie du das empfunden hast. Und noch wichtiger ist es für uns zu wissen, wie du die damalige Arbeitssituation für Frauen in der Architektur erlebt hast.
Hopkins: Die "BBC-Situation" hat mich ehrlich gesagt nicht sonderlich beunruhigt. Die Sache mit dem Foto fand ich albern, weil ich mich um so etwas nie gekümmert habe. Es wurden viele Fotos gemacht. Auf einigen war ich zu sehen, auf anderen nicht. So habe ich es in Erinnerung.
Als ich bei der Architectural Association in London anfing, war ich in einer Klasse mit 60 Studierenden, in der fünf Frauen waren. Das war in den frühen 1960er Jahren die Norm.
Jetzt ist das Verhältnis etwa 60:40 zwischen Frauen und Männern. Mir ist aufgefallen, dass ich bei Vorstellungsgesprächen im Büro nie wirklich darüber nachgedacht habe, Unterschiede zu machen. Ich denke, so sollte es auch sein. Aber wenn Kinder kommen, ist es irgendwie unvermeidlich, dass die Leute eine Zeit lang aussteigen. Aber viele kommen auch wieder zurück. Ich persönlich glaube nicht, dass man darüber hinwegkommen kann, dass Frauen die Kinder haben. Letztendlich denke ich, dass das einer der Gründe ist, warum es nicht so viele sind. Wenn man sich jetzt unser Büro anschaut, gibt es einen grossen Anteil an jüngeren Frauen und nicht so viele ältere Frauen. Das wird sich allmählich ändern. Ich habe das unglaubliche Glück gehabt, viele verschiedene Dinge tun zu können. Auch weil ich Partnerin war, konnte ich mein Leben selbst in die Hand nehmen. Ich mochte es, mich um meine Kinder kümmern und arbeiten zu können. Und mich um meine Eltern zu kümmern. Ich denke, dass diese Kombination sehr bereichernd ist.
Langenberg und Brenner: Danke für das Gespräch, Patty.
externe Seite High-Tech Heritage: (Im)permanence of Innovative Architecture
Herausgegeben von: Matthias Brenner, Silke Langenberg, Kirsten Angermann, Hans-Rudolf Meier
Birkhäuser, 2024
externe Seite Denkmal Postmoderne: Bestände einer (un)geliebten Epoche
Herausgegeben von: Kirsten Angermann, Hans-Rudolf Meier, Matthias Brenner, Silke Langenberg
Birkhäuser, 2024