Das Potenzial einer Architektur, die Alt und Neu mit partiellen Eingriffen verbindet

Das Buch „Towards Transformation“ erklärt die 33,3%-Haltung des Entwurfsstudios von Professor Jan De Vylder und 8000.agency und stellt 22 Studierendenprojekte in Zürich vor.

Projekt von Arno Bruderer, Garance Weber und Majella Hauri

Die Architekturwelt ist polarisiert, wenn es um den Abriss von Gebäuden geht. Viele Aktivistinnen und Aktivisten sind gegen den Abriss alter Strukturen, um den Klimawandel zu bekämpfen. Investorinnen und Investoren hingegen ziehen es vor, alte Gebäude durch neue zu ersetzen, weil sie damit mehr verdienen können - vor allem in Städten wie Zürich. „Alles wird durch das Gleiche, aber besser ersetzt“, sagt Professor Jan De Vylder. Der Architekt plädiert für einen dritten Weg: die Kombination von Alt und Neu. Das Studio des Architekturbüros 8000.agency an seinem Lehrstuhl lehrte die Studierenden während drei Semestern die „33,3%-Haltung“, die das Potenzial des Bestehenden nutzt, um es mit Neuem zu kombinieren. 

„Wir können nicht nicht bauen. Es geht um ein Gleichgewicht“, sagt De Vylder. „Die 33,3%-Haltung bietet eine Arbeitsweise, die nicht nach einer 100-prozentigen Lösung strebt, sondern einen partiellen, aber präzisen Eingriff anstrebt, der die Kluft zwischen Alt und Neu überbrückt.“ Der flämische Architekt hat viel in seinem Heimatland Belgien gearbeitet, dessen zeitgenössische Architektur dafür bekannt ist, alte und neue Elemente zu einem neuen, starken Ausdruck zu verflechten. „In Belgien hat die Knappheit der Mittel unsere Haltung bestimmt“, sagt De Vylder. In der Schweiz ist es genau andersherum. „Weil so viel Geld investiert werden muss, ist der Druck hoch, alte Strukturen komplett zu ersetzen.“

Der Professor hat den Kurs zusammen mit den Assistenten Oliver Burch, Jakob Junghanss und Lukas Ryffel entwickelt, die sich an der ETH Zürich kennengelernt und das Architekturbüro 8000.agency gegründet haben. Sie sind Teil des Kollektivs ZAS*, das derzeit ein Gaststudio am D-ARCH unterrichtet. Die drei Architekten beschäftigen sich oft mit dem Umbau des Bestehenden. Im Jahr 2024 veröffentlichten sie die Broschüre „Offen erschlossen: Ansätze zum Weiterbauen“, in der sie ihre Ergebnisse aus dem BSA-Forschungsstipendium zu Laubengangzugängen im Bestand vorstellen. 

Ein Parkhaus als Park

Das Buch „Towards Transformation“ von Triest erläutert den 33,3%-Ansatz und stellt 22 studentische Projekte vor. Das Studio untersuchte drei Kontexte in der Stadt Zürich: Immobilienentwicklungen, die Verdichtung der Gartenstadt in Schwamendingen und Einfamilienhausquartiere. Die Studierenden untersuchten konkret geplante Projekte und veränderten sie, um das Potenzial des Bestehenden hervorzuheben. So erhielt eine Gruppe von Studierenden die Tiefgarage eines alten Gebäudes, die aufgegeben und versiegelt werden sollte, und verwandelte sie in einen unterirdischen Park. Die geplante Wohnbebauung konnte weiterhin darauf errichtet werden. 

Eine knifflige Angelegenheit ist der Umgang mit kleinen Häusern, die in der Schweiz einen grossen Teil der Bausubstanz ausmachen. Eine Gruppe von Studierenden verwandelte ein Einfamilienhaus in eine kleine Wohngenossenschaft mit sieben Mitgliedern. Ein anderes Projekt erweiterte Einfamilienhäuser auf der Grundlage einer Reihe von Vereinbarungen mit den Nachbarn. An einem Standort behielten die Studierenden die Einfamilienhäuser bei, übertrugen aber die gesetzlichen Baureserven auf eine grosse Wohnsiedlung in der Nähe. Auf diese Weise kann die Stadt verdichtet werden, während gleichzeitig ein Freiraum zwischen den Einfamilienhäusern erhalten bleibt. 

In Oerlikon wird eine Stahlkonstruktion des Architekten Jacques Schader wiederverwendet und auf ein daneben stehendes Betongebäude gesetzt, um Platz für die weitere Verdichtung zu schaffen, ohne den Bezug zur Geschichte zu verlieren. Die Projekte oszillieren zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. „Es ist faszinierend, wie junge Menschen diese spielerische, kreative Haltung lernen wollen“, sagt De Vylder. „Sie wollen anders handeln und den Standardansatz infrage stellen.“ Die Studierenden haben jedoch die Realität nicht ausgeblendet. Gemeinsam mit Interessenvertretern wie Pensionsfonds, Wohnbaugenossenschaften oder Entwicklerfirmen untersuchte das Studio auch die Umsetzbarkeit und die wirtschaftliche Seite der Eingriffe. 

In den letzten Jahren hat der Umbau in der Schweiz dank der Bemühungen um den Klimaschutz, der Sorge um das bauliche Erbe und der höheren Zinssätze mehr Aufmerksamkeit erhalten. „Die Schweiz ist in vielerlei Hinsicht ideal für die Sanierung bestehender Gebäude geeignet“, sagt der Architekt Oliver Burch. „Die Bauqualität ist in der Regel hoch und die Instandhaltung gründlich, sodass die Gebäude in einem guten Zustand sind, um darauf aufzubauen.“

Towards Transformation. The 33.3 % Attitude. Zurich
ETH-Studio Jan De Vylder: Jan De Vylder, Oliver Burch, Jakob Junghanss, Lukas Ryffel (Herausgeber), Triest, 2024
externe Seite Buchvernissage: 27. November 2024, 19.00, ZAZ Bellerive, Zürich

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